REZENSIONEN

"Wovon träumt der Dom?"

"Bartholomäus Figatowski liefert mit WOVON TRÄUMT DER DOM? bereits seine vierte Regionalanthologie mit phantastischen Geschichten ab. In WENN DIE BIIKEN BRENNEN spielten die Geschichten in Schleswig Holstein, in DER BASILIKUMDRACHE im Ruhrgebiet und in NEBEL ÜBER DER NIERS am Niederrhein. Nun ist Köln also der Ort des Geschehens. Und Köln hat bekanntlich einiges an Historie, aber auch an Sagen und Legenden zu bieten. Die 12 Autorinnen und Autoren toben sich in ihren Geschichten in verschiedenen Spielarten der Phantastik aus. ...
Glauser-Preisträgerin Regina Schleheck verwebt in ihrer Kurzgeschichte "Wer et hätt jewoss" meisterhaft eine alte Kölsche Geschichte mit der Gegenwart eines Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz, die am Ende noch mit einer überraschenden phantastischen Wendung aufwartet. Für mich eine der besten Geschichten der Anthologie. ...
Nun will ich auch noch etwas zum Gesamteindruck sagen. Zuerst einmal finde ich die Idee von Lokal-Anthologien großartig. Fast jede Region hat einen großen Fundus an Sagen und Legenden, den Autoren der Gegenwart viel zu selten plündern. Es wird sich allzu oft dem Einheitsdiktat der Trends unterworfen und viel zu selten wird der reiche Geschichtenschatz, den es in Deutschland - wie wohl  in jedem anderen Land auch - gibt, benutzt. Bartholomäus Figatowski schafft es ein viertes Mal talentierte Autoren für eine seiner Anthologien zu rekrutieren, die sich von verschiedenen Seiten der Stadt Köln nähern. Natürlich gibt es qualitative Unterschiede. Die Geschichten von Regina Schleheck, Susanne Haberland und Monika Niehaus spielen in der höchsten Spielklasse. Karsten Beucherts und Bettina Forbrichs Geschichten sind bei mir durchgefallen. Aber trotzdem kann ich jedem, aber vor allem jedem Kölner, diese Sammlung nahe legen. Ich hoffe, dass WOVON TRÄUMT DER DOM? Vielleicht ein kleiner regionaler Verkaufsschlager wird. Denn der kleine gebundene Band eignet sich wunderbar als originelles Präsent, wenn man mal zufällig in einem Kölner Haushalt eingeladen sein sollte. Es bleibt hoffentlich nicht Figatowskis letzte Regional-Anthologie. Es gibt noch genug Städte und Landstriche, die spannende Geschichten zu bieten haben.
Fazit: Phantastische Geschichten aus Köln, die zeigen, dass sich Autoren ruhig häufiger an Themen aus dem deutschen Sagenschatz bedienen sollten. Da ist einiges herauszuholen. Ein inhaltlich und optisch ansprechendes Buch, das hoffentlich nicht nur im Rheinland seine Leser finden wird.
 

Markus Solty, horrorundco.blogspot.de, 09. Januar 2014

"Als einer der ersten Herausgeber hat sich Bartholomäus Figatowski der vor der eigenen Haustür spielenden phantastischen Geschichten angenommen. Mit Sammlungen wie "Wenn die Biiken brennen" (Schleswig Holstein) oder "Der Basilikumdrache" (Ruhrgebiet) hat er schon mehreren charakteristischen Gegenden der Bundesrepublik zu literarisch-phantastischen Ehren verholfen. Seine neueste Anthologie heißt "Wovon träumt der Dom?" und zeigt die Stadt Köln von ihrer überwirklichen Seite.
Das Buch enthält zwölf Geschichten von zwölf sehr unterschiedlichen Autoren. Mal märchenhaft, mal mit Fantasy- oder Horror-Elementen erzählen sie von einer Stadt, die mit ihrem reichen Sagenschatz, ihren uralten Wurzeln und mit den Originalen, die man heute noch in ihr antreffen kann, geradezu prädestiniert ist als Schauplatz für Erzählungen jenseits der platten Realität. Narnianische Löwen, Tasmanische Tiger und columbianische Kaimangöttinnen durchstreifen die Stadt. Vieles lebt vom Dialekt, es erscheinen Geister aus dem Mittelalter, aus der Römerzeit. Natürlich der Karneval. Aber es gibt auch Einblicke in eine düstere Zeit, in der das tolerante "Jeder Jeck ist anders" noch keine Gültigkeit hatte.
Den Auftakt der Sammlung macht Nina Sträter mit "Wichtelkölsch und Heinzelbräu", einer der besten Storys in dem Band. Sie vereinigt die alte Heinzelmännchensage und die Kölner Bierbrautradition mit Elementen modernster Technik, sportlichem Wettstreit und den leider auch im realen Sport manchmal anzutreffenden schlechten Verlierern zu einem fröhlichen und leicht absurden Mix, der sehr viel Spaß macht.
Der zweite Höhepunkt ist "Bis zur letzten Seite" von Bettina Forbrich. Vier Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist unter den Trümmern noch immer jemand am Suchen. Es geht um ein uraltes Manuskript, das Seite für Seite zusammengetragen wird. Eine Geschichte die unter die Haut geht. Sehr kurz, und gerade dadurch sehr eindringlich.
Sehr gefallen hat mir auch "Wer hätt es jewoss" von Regina Schleheck. Die Autorin verbindet die alte Sage von Griet und Jan und deren Darstellung am Severinstor mit der Geschichte eines aus Afghanistan heimkehrenden Soldaten, der im Gedränge der Feiernden seine Exfreudin wiedertrifft. Nicht lustig. Aber treffend.
Schlicht und doch eingängig, an alte Heiligendlegenden und Wundergeschichten erinnernd, kommt "Selbdritt" von Jörg Weigand daher. Es geht um einen "Herrgottschnitzer", der Heiligenbilder verfertigt. Ein Auftrag eines Privatmannes soll dem Mann 500 Taler bescheren - eine ungeheure Summe. Der Haken: Es soll eine nicht unwesentliche Abweichung von der gewöhnlichen christlichen Darstellung geben.
Auch die anderen Beiträge sind gut gelungen, einen erzählerischen Totalausfall gab es nicht.
Sehr gediegen ist die Aufmachung des Buches. Ein schmales, doch großformatiges Hardcoverbuch mit einer Cover-Illustration zur Auftaktgeschichte und sehr gutem Papier. Dazu gibt es ein Nachwort des Herausgebers zur Absicht des Buches sowie die Biographien der Autoren.
Fazit: Gute bis sehr gute Geschichten, vereint in einer lesenswerten Anthologie. Empfehlenswert nicht nur für Kölner."

Petra Hartmann, www.scifinet.org, 19. Dezember 2013

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