JURY-URTEIL zu

"Hackfleisch"

Die Jury der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur
DAS SYNDIKAT
hat den
FRIEDRICH-GLAUSER-PREIS – KRIMIPREIS DER AUTOREN 2013
in der Sparte KURZKRIMI
der Kriminalschriftstellerin
REGINA SCHLEHECK
für ihren Kurzkrimi „Hackfleisch“ aus „Mordsküche” (Der kleine Buchverlag), zuerkannt.
Der Preis ist mit € 1.000 dotiert.

Begründung:

Eine gestresste Mutter, mitten in den Vorbereitungen zum Mittagessen – Zwiebeln hacken, Fleisch kneten, es gibt Buletten. Fleischig, blutig ist diese Tätigkeit, routiniert und pragmatisch die namenlose Mutter. Mit der verzeihlichen Ungeduld angespannter Frauen, reagiert sie auf den sechsjähigen Sohn, der diese Routine stört. Ein kleiner Junge, der nicht ahnt, dass er als Bote des Bösen missbraucht wird, als er von dem Fremden, „Uwe“, mit einer Tupperdose vom Spielplatz nach Hause geschickt wurde.
Der Dialog zwischen der zunächst kaum hinhörenden Mutter mit dem Sohn über den Verbleib der großen Schwester während des Hackfleischknetens ist fast quälend beiläufig. Aber dann: Nachfragen. Begreifen. Der unbekannte Mann, die Tochter – jetzt springen die Wellen der Erschütterung auf den Lesenden über. Wo ist das Kind, und was verbirgt sich in der Tupperdose für eine Nachricht des Fremden vom Spielplatz, ist es fleischig, blutig, womöglich …?
Wir erleben den Beginn unendlicher Trauer und Not einer Mutter, die weiß, dass sie ihre Tochter niemals wieder sehen wird. Die sich nur ausmalen kann, was geschehen ist. Wir sehen ihre Bilder, ohne dass sie erzählt werden, weil „Hackfleisch“ uns längst an unsere eigenen Ängste erinnert hat.

Regina Schleheck hat auf nur viereinhalb Seiten ein reiches Universum des Grauens aufgefaltet. Mit stilistisch großer Klarheit, und plastischen Bildern, in die sich schier mit beiden Händen hinein greifen lässt; in denen man das Hackfleisch schmatzen hört, das Messer auf dem Brett hacken. Mit sicherer Hand geführt, ist es diese Analogie zwischen der Hackfleisch-Zubereitung und dem Missbrauch des Mädchens, die die Fantasie des Lesenden auflädt. Auch die in Kurzprosa sonst selten verwendeten Perspektive des auktorialen Erzählers, trägt zu der intensiven Wirkung der Geschichte bei: Es ist ein Seelenfrieren, das sich ausbreitet, je mehr wir gleichsam mit der Mutter begreifen, dass das gewohnte Leben für immer zu Ende ist, dass ihr so banaler Alltag, zum verlorenen Paradies wird.

Regina Schleheck (*1959 in Wuppertal) beweist mit „Hackfleisch“ einmal mehr, dass sie zu den aktuell besten Erzählerinnen der Kurzprosa gehört, nah an der amerikanischen Short-Story-Tradition, mit einer gründlich geschliffenen, unverwechselbaren und starken Stimme.

Außerdem waren nominiert: (in alphabetischer Reihenfolge): Gunter Gerlach mit Lügen in Lünen(in: „Kalendarium des Todes“, Grafit), Peter Probst mit Das Wunder von Werne(in: „Kalendarium des Todes“, Grafit), Elmar Tannert mit Unter dem Apfelbaum(in: „Tatort Garten“, ars vivendi) und Sabine Trinkaus mit Agnus Dei(in: „Schöner Morden im Norden“, Pendragon)
Der Preis wurde am 20. April 2013 beim Tango-Criminale zum Abschluss der Criminale, dem Jahrestreffen des SYNDIKAT, in Bern überreicht. Die Laudatio hielt Vorjahrespreisträgerin Nina George.

Die Jury des SYNDIKAT: Christine Brand, Christiane Höhmann, Nina George, Stefan Valentin Müller und Franz Zeller
Koordinatorin: Romy Fölck.

Romy Fölck
(für die Jury)


VITA
REGINA SCHLEHECK ist Oberstudienrätin an einem Kölner Berufskolleg, nebenberuflich ist sie als Referentin an Erwachsenenbildungseinrichtungen tätig. Seit 1999 schreibt sie und publiziert hauptsächlich Kurzprosa in Anthologien und Literaturzeitschriften sowie Hörspiele, aber auch Drehbücher und Theaterstücke, außerdem ist sie als Herausgeberin in Erscheinung getreten. Schleheck ist geschieden und hat eine Tochter und vier Söhne.

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